Das Ende von Hargo Talu.
22. Juni 2022

Heute vor 28 Jahren kam ich in Estland an. 

Am 15. November 2021 endeten meine interessanten, für mich sehr wichtigen und auch bereichernden Jahre in diesem sich entwickelnden Land: ich zog zurück nach Süddeutschland.

Es gab viele Gründe, den Erhalt des einzigartigen Kulturguts einzustellen und den wunderschönen Hof zu verkaufen. 

Einer der Gründe war meine Position als Einzelkämpferin, ich bekam in den letzten Jahren zu wenig Unterstützung von außen (wobei ich mich für die wunderbare Aktion der Hippochonder im Februar 2021 ausdrücklich bedanken möchte). 

Ein weiterer Grund war meine Corona-Erkrankung und die darauffolgenden Long Covid Symptome, die sich in mehreren Erstickungs- und Ohnmachtsanfällen äußerten. 

Leider muss ich an dieser Stelle auch die traurige politische Entwicklung benennen: Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung gegenüber mir, der Ausländerin, der Deutschen wurden für mich immer mehr zu einem Problem. Es reichte offenbar nicht, fließend die Sprache in Wort und Schrift zu beherrschen, es reichte nicht, estnische Kulturgüter zu erhalten - "die Deutsche" war ich bis zuletzt. 

Der Hof Hargo Talu hat eine wunderbare neue Eigentümerin gefunden, es ist für mich ein riesengroßes Glück, den Hof in so gute, bewahrende Hände geben zu können. 

Die Livländischen Landhühner wurden in engagierte Hände übergeben und die Population kann erhalten und vergrößert werden. 

Die drei Kater Caius, Sultan und Mischka haben sich ihr neues Zuhause geradezu selbst ausgesucht und viele Bilder zeigen mir, wie glücklich sie sind. 

Moritzinchen hätte ich fast mit nach Deutschland genommen, aber dann verliebte sie sich in eine herzensgute Familie, wo sie wieder einen Garten zum Spielen und in der Sonne liegen hat und außerdem mit dem dortigen Hundefreund und einem Kaninchen spielen kann. 

Traurigerweise ist es mir nicht gelungen, für alle Pferde eine gute Lösung zu finden, so sehr ich mich bemüht habe. Schade, wie viel Egoismus und wie viele überzogene Erwartungen bei den Interessenten eine Rolle spielten, wie oft man versuchte, aus meinem Schaden Profit zu schlagen. Als das letzte Pferd aufgeladen war, fiel eine riesengroße Last von mir ab. Niemals hätte ich das vermutet. 

Die aus vielen Artikeln und Fernsehbeiträgen bekannte Einrichtung von Hargo Talu wurde an Liebhaber in ganz Estland verkauft. Viele meiner Freunde haben nun eine Erinnerung an mich in ihrer Wohnung. 

 

Am Estnischen Nationalfeiertag wurde meine Arbeit mit dem goldenen Verdienstorden des Landwirtschaftsministeriums gewürdigt. Ich bin die erste Ausländerin, die diese höchste mögliche Auszeichnung erhalten hat. 

 

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die sich für meine Arbeit, meinen Idealismus, mein Wirken in Estland interessiert haben. 

Bei allen, die mich unterstützt haben - sei es beim Aufbau, sei es beim Abschied. 

Ich hoffe, auch in Eurem Herzen haben dieser einzigartige Hof am Ende der Straße und gleichsam am Ende der Welt, die wunderbaren Tiere, die meinen Weg begleitet haben und vielleicht auch ein wenig ich selbst für immer einen kleinen Platz.